Mit Achtsamkeit und Vertrauen: Wie du deinem Kind Autonomie geben kannst, ohne die Sicherheit zu vernachlässigen

Heute möchte ich eine Frage einer Abonnentin auf YouTube beantworten. Steffi hat mich gefragt: „Wie schaffe ich es, meinem Kind klarzumachen, dass es bestimmte Dinge nicht tun darf, wie zum Beispiel Erde aus Pflanzentöpfen zu holen, an den Rollladen zu spielen, am Fernseher zu wackeln oder an den Herdknöpfen zu drehen? Mein Kind versteht ‚Nein‘ meistens nicht als Verbot, sondern als Aufforderung, es noch einmal zu tun. Wie kann ich ihm auf Augenhöhe beibringen, dass es sich verletzen könnte (zum Beispiel an Stromkabeln oder heißen Oberflächen) oder etwas kaputtgehen könnte, wenn es diese Dinge macht? Ein Video dazu wäre super!“

Ich habe zu diesem Thema schon einige Videos gemacht, darunter auch eines über das ständige „Nein“ von Kindern und zwei kürzliche Podcast-Folgen, die sich mit Bindung befassen – einem Thema, das eng mit der Elternschaft und auch mit dieser Frage verknüpft ist. Falls du diese noch nicht gehört oder angeschaut hast, halte jetzt kurz inne und schaue sie dir an. Für alle anderen, lasst uns nun Steffis Frage genauer betrachten – aus einer achtsamen und nachhaltigen Perspektive. Ich möchte dir viele verschiedene Blickwinkel zu diesem Thema aufzeigen. Also, los geht’s!

Im ersten Lebensjahr wird das Kind immer mobiler und beginnt, seine Umwelt bewusst wahrzunehmen. Das Bedürfnis, alles zu entdecken, wächst. Montessori beschreibt das Kind als natürlichen Forscher und Entdecker, und das ist auch sinnvoll, weil jedes Kind mit einem natürlichen Entdeckerdrang und einer Freude an der Gestaltung in diese Welt kommt – das beginnt schon im Mutterleib. Dieser Drang ist unglaublich wertvoll, aber leider kann er durch unsere Handlungen als Eltern auch gebrochen werden.

Ab einem Alter von etwa 2-3 Jahren beginnt das Kind, eine größere Unabhängigkeit zu zeigen, sich selbst als eigenständiges Wesen zu erkennen und Kontrolle über sein Leben haben zu wollen. Es ahmt das Verhalten von Erwachsenen nach und beginnt, bekannte Namen und Gesichter zu erkennen. Die zunehmende Mobilität bedeutet jedoch auch, dass das Kind immer mehr Gefahren ausgesetzt ist. Hier sind einige grundlegende Sicherheitsmaßnahmen, die du als Elternteil ergreifen solltest:

  • Treppen absperren
  • Steckdosen mit Schutzvorrichtungen versehen
  • Küchengeräte, Bügeleisen und Heizgeräte außerhalb der Reichweite aufbewahren
  • Topfgriffe immer nach hinten drehen
  • Scharfe Gegenstände sicher verstauen
  • Medikamente, Haushaltsreiniger und Gifte sicher verwahren

Doch was wir nicht wollen, ist, dem Kind die Freude am Entdecken zu rauben, indem wir ständig „Nein“ sagen und es in ständige Machtkämpfe verwickeln. Wir sollten die Umgebung so gestalten, dass das Kind sicher und ohne unnötige Einschränkungen erforschen kann. Denn das Entdecken ist enorm wichtig für die emotionale und neuronale Entwicklung des Kindes.

Natürlich möchten wir als Eltern nicht, dass unsere Kinder sich verletzen oder in Gefahr geraten. Wir möchten, dass sie sicher sind und keine Fehler machen. Aber Kinder können nicht wachsen, ohne auch mal zu scheitern. Ich rede hier nicht davon, dass wir sie absichtlich gefährlichen Situationen aussetzen sollen, aber ein gewisses Maß an Risiko gehört zum Lernen dazu. Kinder können nicht lernen, ohne dass sie hinfallen – sowohl körperlich als auch emotional.

Jordan Peterson, der ja eine umstrittene Figur ist, sagt sogar, dass Kinder nicht wirklich leben können, ohne ab und zu gefährliche Dinge zu tun. Er meint, dass wir uns nicht in ihre Experimente einmischen sollten, nur weil wir Angst haben. Wir sollten ihnen beibringen, Risiken mit Vorsicht einzugehen, aber ihnen auch Raum geben, Fehler zu machen und aus diesen zu lernen.

Ein weiterer wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang ist das Thema „Kontrolle“. Jeder von uns hat ein Bedürfnis nach Kontrolle. Wir wollen Vorhersehbarkeit und Sicherheit. Doch wenn wir das Gefühl haben, dass wir diese Kontrolle verlieren, versuchen wir, sie umso mehr zu erzwingen. Das Bedürfnis nach Kontrolle kann aus frühen Erfahrungen von Kontrollverlust stammen. Wenn wir als Kinder das Gefühl hatten, dass niemand auf uns achtet oder wir nicht die Möglichkeit hatten, uns auszudrücken, entwickeln wir später ein übermäßiges Bedürfnis nach Kontrolle.

Dieses Bedürfnis nach Kontrolle kann sich auch in unserem Verhalten gegenüber unseren Kindern widerspiegeln. Wenn wir ständig versuchen, ihr Verhalten zu kontrollieren, entziehen wir ihnen das Vertrauen. Wir signalisieren unbewusst: „Du schaffst das nicht“ oder „Du bist nicht stark genug“. Natürlich ist es legitim zu sagen: „Der Herd ist heiß, da kannst du dich verbrennen“ oder „Der Fernseher ist nicht dafür da, daran zu wackeln“. Aber wenn wir in unserer Kontrolle zu weit gehen, kann das dazu führen, dass wir das Vertrauen in das Kind verlieren und ihm nicht zutrauen, Verantwortung zu übernehmen.

Die Frage, die sich hier stellt, ist: Wem dient diese Kontrolle? Im schlimmsten Fall dienen wir damit einem unbewussten Bedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle, das unseren Kindern das Vertrauen in sich selbst raubt.

Vielleicht fragst du dich auch, warum du dich als Elternteil immer so erschöpft fühlst. Du erklärst deinem Kind ständig, was es nicht tun darf, du bist immer auf der Hut, um es vor allem zu beschützen, aber es hört trotzdem nicht auf dich. Das liegt oft daran, dass du dich ständig im „Kontrollmodus“ befindest und dabei viel Energie verlierst. Statt dich auf die Beziehung zu deinem Kind zu konzentrieren und liebevoll zu unterstützen, fokussierst du dich darauf, was das Kind alles nicht tun soll.

Also, was kannst du tun? Lass dein Kind ruhig auch mal riskante Dinge ausprobieren, wenn es sicher ist. Klingt verrückt? Vielleicht, aber es ist wichtig, deinem Kind Raum zum Wachsen zu geben. Wenn es etwas tut, das gefährlich ist, dann begleite es in der Erfahrung, statt es einfach nur zu stoppen.

Es geht darum, ein echtes Vertrauen aufzubauen. Wenn du deinem Kind mehr zutraust und ihm die Freiheit lässt, Dinge selbst auszuprobieren, dann zeigt es ihm, dass du an es glaubst.

Für Eltern, die gerne einen rationaleren Ansatz wollen, hier drei Tipps:

  1. Altersgerechte Umgebung: Bei kleineren Kindern solltest du die Umgebung so gestalten, dass sie sicher ist, aber auch genug Raum für Entdeckungen bietet. Eine Pflanze, aus der Erde herausgeschüttet wird, kann zum Beispiel eine wertvolle Erfahrung für das Kind sein. Wenn du das nicht möchtest, dann entferne die Pflanze, anstatt ständig „Nein“ zu sagen. Bei älteren Kindern kannst du ehrlich über die Gefahren der Welt sprechen und ihnen helfen, mit Angst umzugehen.

  2. Auswahlmöglichkeiten: Gib deinem Kind die Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen, gerade wenn es um Sicherheit geht. Das fördert das kritische Denken und hilft ihnen, Verantwortung für ihr eigenes Verhalten zu übernehmen.

  3. Verantwortung im Haushalt: Kinder lieben es, Aufgaben zu übernehmen, und das stärkt ihr Selbstwertgefühl. Wenn sie das Gefühl haben, einen wichtigen Beitrag zu leisten, wird das ihr Vertrauen in sich selbst und ihre Fähigkeiten fördern.

Zum Schluss: Entspanne dich und lass dein Kind mehr selbst machen. Indem du es bei schwierigen Aufgaben unterstützt, ihm aber die Möglichkeit gibst, selbst zu scheitern und daraus zu lernen, gibst du ihm die beste Grundlage für ein starkes Selbstvertrauen und eine gesunde Entwicklung.