Selbstkontrolle bei Kindern fördern: Praktische Ansätze für eine bewusste und bindungsorientierte Erziehung

Heute widmen wir uns einem Thema, das viele Eltern beschäftigt: Wie können wir unseren Kindern dabei helfen, Selbstkontrolle zu entwickeln? Dabei geht es nicht nur darum, impulsives Verhalten zu zügeln, sondern auch darum, tiefere Fähigkeiten wie innere Balance, Achtsamkeit und Selbstregulation zu fördern. Und das alles natürlich aus einer bindungsorientierten und bewussten Perspektive.

1. Die Grundlage der Selbstkontrolle: Bindung
Zunächst ist es wichtig zu verstehen, dass Selbstkontrolle nicht einfach etwas ist, das wir einem Kind „beibringen“. Es ist eine Fähigkeit, die innerhalb einer stabilen, sicheren und liebevollen Beziehung wächst. Dr. Shefali Tsabary, eine führende Expertin auf dem Gebiet der bewussten Elternschaft, betont, wie entscheidend es ist, als Eltern präsent zu sein. Sie erklärt, dass Kinder durch unsere ungeteilte Aufmerksamkeit und unsere Präsenz lernen, ihre eigenen Emotionen zu steuern. Wenn wir als Eltern im Hier und Jetzt sind, ohne in eine sofortige Reaktion auf das Verhalten unseres Kindes zu verfallen, schaffen wir einen sicheren Raum, in dem sich das Kind selbst regulieren kann.
Die erste Methode, die wir anwenden können, ist also die Bindung, die als Grundlage für Selbstkontrolle dient. Ein Kind, das sich sicher fühlt, wird eher in der Lage sein, Impulse zu kontrollieren, weil es weiß, dass es in schwierigen Momenten immer noch geliebt und gehalten wird.

2. Achtsamkeit und Selbstbewusstsein fördern
Dr. Becky Kennedy, Psychologin und Expertin für bindungsorientierte Erziehung, ermutigt Eltern dazu, in Dialog mit ihren Kindern zu treten – besonders in Momenten hoher Emotionen. Sie betont, wie wichtig es ist, dass Kinder ihre Emotionen benennen können. Dies fördert nicht nur das emotionale Bewusstsein, sondern stärkt auch ihre Fähigkeit zur Selbstregulation.
Ein praktischer Ansatz, den du ausprobieren kannst, ist, deinem Kind zu zeigen, wie es in stressigen Situationen einen Moment der Achtsamkeit einlegt. Du könntest sagen: „Ich sehe, dass du sehr wütend bist. Lass uns gemeinsam tief durchatmen oder auf das Kissen hauen und dann spüren, wie sich das anfühlt.“ So hilfst du deinem Kind, seine Emotionen zu erkennen und Impulse wie Wut zu steuern.

3. Konsequenz und Vorbildfunktion
Selbstkontrolle wird vor allem durch das Vorbild der Eltern erlernt, weniger durch Anweisungen oder Verbote. Dr. Vanessa Lapointe betont, wie wichtig es ist, dass wir als Eltern in der Lage sind, unser eigenes Verhalten zu regulieren – besonders in stressigen Momenten. Kinder lernen durch Nachahmung. Wenn wir selbst ruhig bleiben, auch wenn die Situation emotional aufgeladen ist, zeigen wir unserem Kind, wie Selbstkontrolle aussieht.
Ein wichtiger Punkt hier ist, dass unsere eigene innere Ruhe und Bewusstheit entscheidend sind. Unsere emotionale Reise ist untrennbar mit der unseres Kindes verbunden. Wenn wir als Eltern mit unseren eigenen Gefühlen und Impulsen im Reinen sind, können wir unseren Kindern auch helfen, ihre eigenen Emotionen zu regulieren.
Das bedeutet, dass wir uns mit unseren Ängsten, Unsicherheiten und unbewussten Mustern auseinandersetzen müssen. In stressigen Momenten reagieren wir oft nicht als erwachsene Menschen, sondern nach alten kindlichen Mustern. Wie sollen wir unserem Kind helfen, sich zu regulieren, wenn wir in unseren eigenen emotionalen Reaktionen gefangen sind? Um also den Selbstregulationsprozess bei unseren Kindern zu fördern, müssen wir selbst diese Fähigkeit entwickeln.

4. Reflexion und Geduld
Selbstkontrolle bei Kindern zu fördern ist ein dynamischer Prozess, der Zeit braucht. Dr. Shefali betont, dass wir als Eltern Geduld mit dem Entwicklungsprozess unserer Kinder haben sollten. Jedes Kind wird in seinem eigenen Tempo lernen, seine Emotionen zu regulieren. Wenn ein Kind impulsiv reagiert oder eine Grenze überschreitet, ist es wichtig, nicht sofort zu urteilen oder zu bestrafen. Vielmehr sollten wir es sanft unterstützen, zu erkennen, was passiert ist, und ihm nach einer erneuten Verbindung die Möglichkeit geben, aus der Situation zu lernen.
Ein Beispiel könnte sein: „Was hat dir geholfen, ruhig zu bleiben, als du das Gefühl hattest, die Kontrolle zu verlieren?“ Auf diese Weise öffnen wir die Tür zu einer konstruktiven Reflexion.

Praktische Übungen zur Förderung der Selbstkontrolle

  • Atemübungen: Führe regelmäßige Atemübungen ein. Wenn dein Kind frustriert ist, bitte es, tief einzuatmen und die Luft für ein paar Sekunden zu halten. Dies hilft, den Geist zu beruhigen und den Körper zu entspannen.
  • Emotionen benennen: Unterstütze dein Kind dabei, seine Gefühle zu benennen. Dies hilft nicht nur, die Emotionen zu verstehen, sondern auch, sie besser zu kontrollieren.
  • Geduld üben: Wenn dein Kind in einer stressigen Situation ist, erinnere es daran, sich Zeit zu nehmen, um ruhig zu werden. Ein „ruhiger Platz“ kann ebenfalls helfen, sich selbst zu beruhigen.

Fazit:
Die Entwicklung von Selbstkontrolle bei Kindern ist ein fortlaufender Prozess, der von den Methoden abhängt, die wir ihnen vermitteln, aber auch von der inneren Arbeit, die wir als Eltern leisten. Wenn wir in der Lage sind, unsere eigenen Emotionen zu regulieren und Achtsamkeit zu praktizieren, schaffen wir ein Umfeld, in dem unsere Kinder lernen können, sich selbst zu regulieren. Geduld und ein gutes Vorbild sind dabei entscheidend. Die innere Arbeit, die wir leisten, ist der Schlüssel zu allem, was wir unseren Kindern vermitteln wollen. Wenn wir ihnen zeigen, wie Selbstregulation funktioniert, können sie diese Fähigkeit in ihrem eigenen Leben entwickeln.

Ich hoffe, dass diese Perspektiven dir und deinem Kind dabei helfen, mehr Selbstkontrolle und innere Ruhe zu entwickeln.