
Ängste in der Elternrolle: Wege, um präsent und ruhig zu bleiben
Es ist völlig normal, als Elternteil Ängste zu empfinden. Die Verantwortung für das Wohl eines anderen Menschen – insbesondere für unser eigenes Kind – kann starke Besorgnis auslösen. Doch wie können wir diesen Ängsten begegnen, um als Eltern ruhig und präsent zu bleiben? Und wie können wir verhindern, dass unsere Ängste negativ auf unser Kind wirken?
Was genau ist Angst?
Angst ist eine natürliche Reaktion unseres Körpers auf wahrgenommene Gefahren oder Bedrohungen. Sie dient als Überlebensmechanismus und hilft uns, auf mögliche Gefahren schnell zu reagieren. Angst äußert sich durch körperliche Reaktionen wie einen schnelleren Herzschlag, flacheres Atmen, erhöhte Wachsamkeit oder auch Schwindel und Hyperventilation.
Ursprung der Angst
Die Entstehung von Angst liegt tief in unserer evolutionären Entwicklung. In der Frühgeschichte war es entscheidend, schnell auf Bedrohungen wie Raubtiere zu reagieren. Der Körper musste dann entweder kämpfen, fliehen oder sich totstellen – ein Prozess, der als „Kampf-oder-Flucht“-Reaktion bekannt ist.
Wie entsteht Angst im Körper und Gehirn?
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Das Nervensystem – Schnelle Reaktionen
Die Angstreaktion beginnt in unserem Nervensystem, insbesondere im autonomen Nervensystem, das Körperfunktionen wie Atmung und Herzschlag automatisch steuert. Bei Angst wird das sympathische Nervensystem aktiviert, was zu einer schnellen Reaktion führt, um auf die Bedrohung zu reagieren.
Der Thalamus empfängt äußere Informationen, wie ein bedrohliches Geräusch, und leitet sie an das limbische System weiter. Hier kommt die Amygdala ins Spiel: Sie bewertet die Gefahr und aktiviert die entsprechenden Reaktionen über den Hypothalamus. Die Amygdala ist auch verantwortlich für die emotionale Verarbeitung und das Erinnern an intensive Erlebnisse, was die emotionale Intensität von Kindheitserinnerungen beeinflusst.
So entsteht Angst durch das Zusammenspiel von Nervensystem und Gehirn. In der modernen Welt kann diese Reaktion auch ohne echte Bedrohung aktiviert werden und zu chronischen Ängsten oder Phobien führen. Daher ist es wichtig, diese biologischen Prozesse zu verstehen und zu lernen, wie man konstruktiv mit Angst umgeht.
Elterliche Ängste und ihre Auswirkungen
Unsere Ängste als Eltern sind oft eng mit eigenen Kindheitserfahrungen verbunden. Sie können unbewusst auf unsere Kinder übertragen werden und deren emotionale Entwicklung beeinflussen. Besonders in den ersten Jahren nehmen Kinder alles ungefiltert auf, auch unsere Ängste und Verhaltensweisen. Um diese Muster zu durchbrechen, bedarf es einer bewussten Selbstreflexion und der Bereitschaft, sich den eigenen Ängsten zu stellen. Durch diese Selbstkenntnis können wir authentischer und präsenter werden, was zu einer gesünderen Beziehung zwischen Eltern und Kind führt.
Eine weitere wichtige Grundlage ist eine stabile Bindung zwischen Eltern und Kind. Laut Dr. Vanessa Lapointe, Psychologin und Expertin für Elternbildung, sollten Kinder in einer emotional sicheren Umgebung aufwachsen, die von fürsorglichen Erwachsenen geschaffen wird. Sie warnt jedoch vor einer „übertriebenen Fürsorge“, bei der Eltern ihre Ängste dazu nutzen, das Kind vor jeglichen negativen Erfahrungen zu schützen. Dies kann dazu führen, dass das Kind sein Selbstvertrauen verliert und die natürliche Dynamik zwischen Eltern und Kind gestört wird.
Fünf Schritte, um mit eigenen Ängsten umzugehen:
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Bewusstsein und Akzeptanz
Der erste Schritt im Umgang mit Ängsten ist, sie wahrzunehmen und zu akzeptieren. Angst ist eine natürliche Reaktion auf wahrgenommene Gefahr, und als Eltern können Ängste auch aus übermäßiger Sorge um das Kind entstehen. Indem wir uns erlauben, unsere Ängste zu fühlen, schaffen wir Raum für Heilung. Achtsamkeitstechniken wie tiefes Atmen oder Meditation helfen, wieder ins Gleichgewicht zu kommen. -
Bindungsorientierte Perspektive
In der bindungsorientierten Erziehung geht es darum, eine stabile Verbindung zu unserem Kind aufzubauen. Dazu gehört es auch, als Eltern authentisch zu sein. Wenn wir uns von Angst überwältigt fühlen, sollten wir das offen kommunizieren – sowohl mit uns selbst als auch mit unserem Kind, soweit es altersgerecht ist. Auf diese Weise zeigen wir dem Kind, dass es in Ordnung ist, Ängste zu haben, und schaffen ein Klima des Vertrauens. -
Spirituelle Perspektive
Spirituell betrachtet können wir unsere Ängste als Teil eines größeren Prozesses begreifen. Indem wir darauf vertrauen, dass das Leben uns alles gibt, was wir für unser Wachstum brauchen, können wir unsere Ängste als Chancen für persönliche Entwicklung sehen. Vertrauen in das Leben hilft, inneren Frieden zu finden, was uns als Eltern mehr Gelassenheit ermöglicht.
Praktische Tipps zur Angstbewältigung:
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Atemübungen: Wenn Angst aufkommt, konzentriere dich auf deinen Atem. Atme tief ein, halte kurz die Luft an und atme langsam aus. Dies beruhigt das Nervensystem.
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Body Scan: Scanne bewusst deinen Körper und nehme jede Region ohne Bewertung wahr. Dies hilft, körperliche Spannungen zu lösen und den Geist zu fokussieren.
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Achtsamkeit im Alltag: Sei während des Tages voll präsent, auch bei alltäglichen Aufgaben wie Kochen oder Spielen mit deinem Kind.
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Tägliches Journaling: Schreibe jeden Tag deine Ängste und deren Verbindung zu vergangenen Erfahrungen auf.
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Visualisierung: Stelle dir vor, du legst deine Ängste in eine kleine Box und schiebst sie beiseite, um im Moment präsent zu bleiben.
Ziel: Einen sicheren Raum für uns und unser Kind schaffen
Indem wir lernen, mit unseren eigenen Ängsten umzugehen, schaffen wir einen sicheren Raum, sowohl für uns als auch für unser Kind. Wir können ihm ein Vorbild sein, wie man mit schwierigen Gefühlen umgeht und Ängste nicht verdrängt, sondern sie versteht und integriert. So unterstützen wir die emotionale Entwicklung unseres Kindes und fördern gleichzeitig unsere eigene persönliche Heilung.